Und wieder ist Freitag, der 13.
Im vorliegenden Fall ist das allerdings kein blutiges Achtziger-Jahre-Horrorfilmchen, sondern es war ein sonniges Frühlingstäglein. (Diminutive sind etwas Herzerfrischendes.) Eines, das sich geradezu ideal für die Durchführung einer Wanderung eignete, die bereits im Jänner geplant, aber immer wieder verschoben worden war, Wetterkapriolen und Covid-19 sei Dank.
Nachdem meine zwei routiniertesten Wanderbuddys sich ebenso wie ich für die 100-Kilometer-Strecke bei der Veranstaltung "Fittes Waldviertel" am 8. Oktober angemeldet hatten, sollte diese freitägliche Nachtwanderung der erste Trainingsmarsch im Rahmen der Vorbereitung darauf werden.
Ja, ich weiß. Eigentlich habe ich gesagt, dass 100-Kilometer-Märsche für mich abgefrühstückt seien. Ich weiß, dass ich sie bewältigen kann. Danke. Neue Herausforderungen, bitte.
Aber wenn sich jener meiner Tourenpartner zu so etwas anmeldet, dem ich das seinerzeit schmackhaft gemacht habe - ich werde ihn übrigens in weiterer Folge mit seinem Superheldennamen Captain Insurance bezeichnen -, kann ich ja nicht kneifen. Wo kämen wir denn da hin? Gesichtsverlust vom Feinsten? Nicht beim Vajk. Ein bisschen Stolz habe ich schon.
Und dann meldet sich die den Leserinnen und Lesern dieses Blogs sattsam bekannte Mrs. Pacemaker auch noch an.
Nein, nein, Freunde, da gibts kein Zurück, da muss ich durch. Also, auch dieses Jahr würde ich eine 100-Kilometer-Wanderung absolvieren. Man gönnt sich ja sonst nichts. ;-)
Der Plan sah folgendermaßen aus: nächtlicher Aufbruch vom Parkplatz des Nebelsteins, knappe 30 Kilometer rundwandern und abschließend den Sonnenaufgang auf dem Gipfel des bereits genannten Bergleins genießen. So weit, so simpel.
Mit Hilfe der Tourenapp "Outdooractive" hatte ich bereits Anfang des Jahres eine nette Route ausgearbeitet, die seither sehnsüchtig auf eine Begehung wartete.
Wie bereits erwähnt: Am Freitag, dem 13. Mai war es so weit.
Ein paar kurze Vorab-Infos:
Acht Stunden hätte die App als Wanderzeit berechnet, knappe sechs wurden es im Endeffekt - und zwar inklusive Pausen und absichtlicher Verminderung der Gehgeschwindigkeit, um die Wartezeit auf den Sonnenaufgang nicht zu lang werden zu lassen.
Die Strecke war deutlich anspruchsvoller als die des Events, auf das wir hintrainierten: Auf nicht einmal 30 Prozent der Streckenkilometer kamen etwa 60 Prozent der positiven Höhenmeter zusammen wie bei der Veranstaltung im Oktober. Im Hinblick darauf würde diese geradezu ein Kindergeburtstag werden. Na ja, wir werden sehen. Aber ein bisschen Zweckoptimismus hat ja noch nie geschadet.
Nach einem gar nicht so stressfreien Schultag packte ich meinen Wanderrucksack: Verpflegung, Wasser, Stirnlampe, Powerbank, Jacke, Verbandszeug, Taschentücher, Ausweise, Geld, Messer und Kappe kamen mit. Alles, was man zum Überleben einer Nacht im wilden Waldviertel halt so benötigt.
Als sich die Sonne ungeniert dem Horizont näherte, stieg ich ins Auto und rollte ebenso ungeniert zum vereinbarten Treffpunkt, von wo aus Mrs. Pacemaker und ich zum Start aufbrechen wollten.
Auf den letzten serpentinigen Kilometern vor dem Parkplatz unterhalb des Nebelstein-Gipfels tauchten die Scheinwerfer eines Fahrzeugs hinter uns auf. Trotz der durchaus sportlichen Fahrweise von Mrs. Pacemaker - ja, ich war diesmal nur Copilot - gelang es uns nicht, unseren Verfolger abzuschütteln. Bevor die Panik aber endgültig Besitz von uns ergriff, hielten wir uns vor Augen, dass es letzten Endes nur zwei mögliche Gründe für die Verfolgungsjagd geben konnte:
1. Die Exekutive wäre der Ansicht, dass manche unserer Fahrmanöver nicht hundertprozentig im Einklang mit der Straßenverkehrsordnung gewesen wären oder
2. der Dritte im Wanderbunde wäre ebenso pünktlich am Treffpunkt wie unsereiner.
Erleichtert stellten wir bei der Ankunft fest, dass Version zwei die zutreffende war. Das war deutlich budgetschonender.
Nachdem meine beiden Begleiter bis dato noch nicht die Ehre gehabt hatten, sich von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen, stellten sie sich kurz vor und schon nahmen wir die Wanderstrecke unter die Schuhsohlen.
Wie ich vermutet hatte, harmonierten wir geschwindigkeitstechnisch durchaus. Zwar wurde zu Beginn bereits die Devise ausgegeben, nicht zu schnell unterwegs zu sein, doch wir fielen immer wieder in den uns im Blut liegenden, eher zackigen Marschtakt. Egal. Es waren ja nur 30 Kilometer, noch keine 100. Eine Aufwärmrunde.
Die ersten Kilometer ging es meist sanft bergab, die Wege waren geradezu kinderwagentauglich - ewig schade, dass wir keinen mithatten - und da sich Mrs. Pacemaker und Captain Insurance ohnehin noch nicht kannten, ging uns der Gesprächsstoff auch nicht aus. Noch lange nicht.
Die Nacht war lau (auch wenn die Weiblichste von uns dreien das etwas anders empfinden mochte) und wir kamen äußerst flott voran: Rörndlwies, Sankt Martin, Sulz, Sankt Wolfgang, Weitra - wir durchquerten sie alle. Beinhart. Ohne eine Pause einzulegen. Na gut, in Sankt Wolfgang pausierten wir kurz, immerhin gab es da bei der Kirche ein offenes, hell erleuchtetes, sauberes öffentliches WC. Das durften wir uns als wohlerzogene Menschen nicht entgehen lassen.
Ein wenig Stil hat man ja doch. Auch wenn man in verschwitzten Wanderklamotten und im Dunkeln durchs abgelegenste Waldviertel trabt.
Unterwegs genossen wir die Wunder der Nacht, die Geräusche, die intensiven Gerüche und wurden von Schritt zu Schritt kreativer. Der Gipfel des Einfallsreichtums war die Erkenntnis, dass Stirnlampen nur in Kombination mit Batterien oder Akkus Sinn ergäben - solarbetrieben wären sie eher kein Verkaufsschlager.
War es unser offensichtlicher geistiger Verfall (siehe letzter Absatz) oder der Umstand, dass Captain Insurance seine Schuhe wechseln wollte, auf alle Fälle legten wir in Wultschau, also nach über zwei Dritteln der Strecke, eine kurze Pause ein, um die Kalorien- und Flüssigkeitsreserven wieder aufzufüllen. Ohne Bewegung wurde nun auch mir kühler und ich zog meine Jacke an. Die bohrenden und wiederholten Fragen von Mrs. Pacemaker, ob mir nun nicht endlich kalt sei, gehörten damit der Vergangenheit an. Doch ich frohlockte zu früh: Nach der Pause trat nämlich generelles Schweigen ein, ein Schritt wurde mit grimmiger Entschlossenheit und fast nur mehr bergauf vor den anderen gesetzt und wir stellten alle fest, dass es tatsächlich immer frischer wurde. Kein Wunder: Drei Uhr morgens ist normalerweise nicht unbedingt die Zeit, zu welcher man sich selbst im Hochsommer im Hochland des Waldviertels spärlich bekleidet in der lauen Luft räkelt. Mitte Mai also schon gar nicht.
Knapp vor vier Uhr hatten wir tatsächlich unser Ziel, den Nebelstein, erreicht. Da es - wie bereits erwähnt - im Freien und bei einstelligen Celsiusgraden nicht allzu gemütlich war, beschlossen wir, etwa 25 Minuten in den Autos zu warten, bis sich der Aufstieg zum Gipfel lohnen würde. Immerhin war ja der Plan, dort den Sonnenaufgang mitzuerleben.
Gesagt, getan - nach dem schamlosen Ausnützen der technischen Annehmlichkeiten, die die moderne Automobiltechnik bibbernden Exemplaren der Spezies Homo sapiens sapiens bieten kann, nahmen wir die letzten Meter zum Gipfelkreuz des Nebelsteins in Angriff.
Dort bot sich uns auf etwas mehr als 1000 Metern Seehöhe folgendes Bild inklusive einer wunderschönen Geräuschkulisse (Ton aufdrehen!):
Fazit:
Training kann Spaß machen.
Etwas Selbstüberwindung ist ab einem gewissen Level notwendig.
Sitzheizungen sind ein Geschenk Gottes an die Waldviertler Damenwelt.