· 

Heimspiel

Erst der "Megamarsch", dann der "Mammutmarsch". An beiden Veranstaltungen habe ich teilgenommen und anschließend habe ich sie verglichen. Immerhin sind sie die bekanntesten Extremwander-Veranstaltungen im deutschen Sprachraum. Neben ihnen existieren aber auch noch kleinere lokale Events. Eines davon sogar im Waldviertel. Und weil ein paar meiner Sportbuddies einmal einen solchen 100-Kilometer-Marsch mitmachen wollten, hatte ich nicht einfach nein sagen und mich ausklinken können. Mitgefangen, mitgehangen. Oder in dem Fall eher mitmarschiert. Ja, ich gebe es zu: Ich war natürlich auch neugierig auf diese Veranstaltung namens "Fittes Waldviertel".

Quelle: www.fittes-waldviertel.at
Quelle: www.fittes-waldviertel.at

Es ist dies eine Sportveranstaltung ohne Leistungsdruck. Man kann wandern, laufen oder radeln und hat hierbei eine 30-, 60- oder 100-Kilometer-Strecke zur Auswahl. Zeitnehmung gibt es keine, es geht rein um den Spaß an der Freud'. Ein prinzipiell sympathisches Konzept - immerhin ist auch mir beim Sporteln der Erlebnisfaktor wichtiger als alles andere. Ergo hatte ich mich bereits im April angemeldet, die Startgebühr von 50 Euro überwiesen und begonnen, mich wenig intensiv, aber doch wieder ans Wandern zu gewöhnen. Ich habe in diesem Blog gelegentlich darüber berichtet.

 

Am 08.10.22 war es dann soweit: Der Start für die Wanderer und Läufer über 100 Kilometer sollte um vier Uhr in der Früh am Sportplatz von Großglobnitz (Bezirk Zwettl) erfolgen. Ich fand mich bereits kurz nach drei Uhr dortselbst ein, holte mein Startpaket (einen Turnbeutel mit durchaus brauchbarem Inhalt wie Magnesium, Sonnenbrille, Falttasse, zuckerfreien Riegeln etc.) und traf auf meinen Ältesten, der als Läufer über die 100-Kilometer-Strecke ebenfalls am Start war. Er blieb allerdings vorerst das einzige bekannte Gesicht, das ich ausmachen konnte. Meine Mitwanderer - aus Datenschutzgründen im folgenden nur M&Ms genannt - waren weder bei der organisatorischen Besprechung noch anschließend beim Start zu sehen. Egal, bisher war ich auch immer allein auf die Strecke gegangen. Vielleicht war ihnen ja etwas dazwischengekommen. Sowas sollte es geben. Auch Mrs. Pacemaker war schließlich krankheitsbedingt ausgefallen. Kaum war ich allerdings mit dem Pulk von Wanderern und Läufern gestartet, klingelte mein Handy: Die M&Ms säßen noch in der Sportplatzkantine beim Frühstück und würden nachstarten. Nachdem ich erst wenige Meter gegangen war, wendete ich und gesellte mich zu ihnen. Einige Minuten später waren auch wir vereint auf der Strecke. Das Abenteuer konnte beginnen.

Die ersten Kilometer mussten wir im Dunklen zurücklegen. Klar, die Sonne würde erst um etwa sieben Uhr aufgehen. Kein Problem, wir waren immerhin mit Stirnlampen ausgerüstet, wussten wir doch, dass es auch auf auf den letzten Streckenkilometern wieder Nacht sein würde. Wir mussten damit rechnen, beide Tageshälften komplett zu erleben. Somit wanderten wir wohlgemut los. So wohlgemut, dass der weibliche Teil der M&Ms nach kaum 100 Metern einen kapitalen Sturz hinlegte und dabei äußerst unsanft auf die Hüfte fiel. Das sollte für den restlichen Tag noch Folgen haben. Unter Schmerzen ging sie weiter. Sie war diese ja gewohnt: Immerhin hatte sie zuvor längere Zeit an Rückenproblemen laboriert.

Kaum war die Sonne aufgegangen, kämpfte sie mit dem typischen Morgennebel, der mit daran schuld ist, dass das Waldviertel so gern als mystische Gegend angepriesen wird. Trotz des Umstands, dass schließlich bereits Oktober war, sollte sie aber die Oberhand gewinnen. Immer mehr wurde deutlich, dass es ein wunderschöner Herbsttag werden würde. Das hob bei uns Wanderern deutlich die Stimmung. No na net. Wer ist denn schon gern stundenlang im Regen oder im Sturm unterwegs?

Schon nach etwas mehr als elf Kilometern stießen wir auf die erste Labestation. Allgemein waren diese in ungewohnt kurzen Abständen eingerichtet. Bei den bisherigen Veranstaltungen lagen sie mindestens 20 Kilometer voneinander entfernt. Beim "Fitten Waldviertel" meistens etwa 16. Das klingt nach keinem großen Unterschied. Vier Kilometer sind für Wanderer jedoch fast eine Stunde Gehzeit. Durchaus ein merklicher Unterschied.

Außer mehr als großzügig bemessener Verpflegung gab es dort auch immer ein freundliches Lächeln, nette Gespräche und (wenn notwendig) auch die eine oder andere Aufmunterung. Sogar eine Nackenmassage konnte unsere durch ihren anfänglichen Sturz ohnehin lädierte M einmal spontan in Anspruch nehmen. Eben dieser familiäre Touch zeichnet jene Veranstaltung aus. Trotz offensichtlich penibler Organisation hatte man immer das Gefühl, unter Freunden zu sein. Und das ist absolut keine Selbstverständlichkeit. Wer ähnliche Veranstaltungen kennt, weiß das.

 

Somit wanderten wir die ersten knapp 50 Kilometer gut gefüttert durch einen sehr warmen, sonnigen Oktobertag. Allerdings kämpfte die bereits erwähnte M mit ihrer schmerzenden Hüfte, durch die Schonhaltung auch bald mit Schmerzen im Fuß und so weiter und so fort. An ein schnelles Vorankommen war somit nicht zu denken. Egal, es war ja schließlich kein Rennen.

Nach den erwähnten 50 Kilometern besserte sich ihr Zustand allerdings - auch durch die Zuhilfenahme eines Schmerzmedikaments und einer Schmerzsalbe. Egal, der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel. Wir kamen längere Zeit deutlich schneller voran.

Apropos: Die Streckenmarkierungen beim "Fitten Waldviertel" waren so durchdacht und sinnvoll platziert, dass eine Zuhilfenahme der Technik nicht notwendig war. Während des Tages waren die Markierungen schon von Weitem auszumachen und selbst in der Nacht leuchteten die reflektierenden Wegweiser im Schein der Stirnlampen deutlich. Zusätzlich dazu gab es mehr als großzügig angebrachte Bodenmarkierungen, sodass ein Verirren auch für schnelle Läufer und Radfahrer so gut wie nicht möglich war.
Dafür an dieser Stelle noch einmal ein riesengroßes Lob an die Organisatoren!

Ein kleines Bonmot am Rande:
Ebenfalls etwa in der Mitte der Strecke erwarteten mich zwei meiner Söhne mit ihren Partnerinnen.
Mit von der Partie war die Tochter des einen Sohns, die ältere meiner beiden Enkelinnen. Freudestrahlend hielt sie ein Plakat in die Höhe, das mir verkündete, erneut Opa zu werden. Enkeltochter Nummer drei? Oder vielleicht zur Abwechslung einmal ein Bub? Die Spannung steigt. Spätestens im April wissen alle Beteiligten mehr.

 

Diese Einlage war wirklich gelungen.

So ging ich gleich viel beschwingter weiter.

Das Waldviertel bot an diesem Tag die perfekte Kulisse für ein sportliches Abenteuer in der Natur und so wanderten die M&Ms gemeinsam mit dem Vajk durch eine regelrecht unheimlich freundliche Landschaft. Da Bilder ja bekanntlich mehr sagen als 1000 Worte, deponiere ich an dieser Stelle einfach ein paar Fotos, die im Zuge dieses Samstagnachmittags entstanden sind. Viel Spaß damit!

Über meine Schuhe war ich nach wie vor sehr, sehr glücklich: Sie boten mehr Komfort, mehr Dämpfung und eine bessere Passform als alle, die ich bis dahin je getragen hatte.

Zwar hatte ich am Ende des Tages eine kleine Blase an einer eher unwichtigen Stelle am rechten Fuß, aber das war schon das einzige Manko. Und bei einer 100-Kilometer-Wanderung nicht mehr Fußprobleme zu haben, ist reiner Luxus. Zumindest für mich.

Zusätzlich dazu erwiesen sie sich erneut als vollkommen wasserdicht, waren gleichzeitig aber auch atmungsaktiv. Schweißfüße? Fehlanzeige!
Bis Kilometer 70 ging ich in ihnen wie in Filzpantoffeln. Nein, deutlich besser - aber nicht bequemer.

Der Cloudrock Waterproof von On ist für lange Wanderungen meine erklärte Wahl.
Einfach aus Egoismus.
Leiden muss ja nicht sein.

Irgendwann kam sie dann wieder, die Nacht. Mit der Sonne sank auch ein wenig die Motivation, trotzdem verschwendeten wir keinen Gedanken ans Aufgeben - auch wenn Beine und Lider schön langsam schwer wurden, was in Kombination mit der Dunkelheit in den Waldabschnitten und schlammigem Untergrund oder Wurzeln das Vorankommen deutlich erschwerte.

Bei den Labestationen hörten wir, dass doch einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer aufgegeben hätten. Wie bereits erwähnt, kam das für keine(n) von uns in Frage. Auch unsere Verletzte, die zu dieser Zeit bereits immer wieder mit verschiedenen größeren und kleineren Wehwehchen zu kämpfen hatte, biss sich heldenmutig bis ins Ziel durch.
Somit hatte ich meinen dritten und die beiden anderen ihren ersten 100-Kilometer-Marsch bewältigt.

Quelle: www.fittes-waldviertel.at
Quelle: www.fittes-waldviertel.at

Fazit:
Wer ebenfalls mit dem Gedanken spielt, sich über eine Extremwanderstrecke zu wagen, als Läuferin oder Läufer auf die Langstrecke gehen möchte oder eine tolle Radrunde fahren will, der ist mit der Veranstaltung "Fittes Waldviertel" bestens beraten. Hier erlebt man die Kombination von perfekter Organisation, authentischer Herzlichkeit und der typischen Landschaft des Waldviertels.
Spoileralarm: Nächstes Jahr wird das Event am 07.10. über die Bühne gehen.
Nicht verpassen!